Urlaubsanspruch verfällt nicht mehr automatisch
Erneut ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Urlaubsrecht ergangen, das die Rechte der Arbeitnehmer stärkt.
Geklagt hatte ein Rechtsreferendar. Er nahm in den letzten Monaten seines Vorbereitungsdienstes keinen Urlaub. Er machte die Vergütung seines Resturlaubs geltend.
Bisherige Rechtslage in Deutschland
Nach bisherigem Recht musste ein Arbeitnehmer seinen Resturlaub bis zum Ende des Jahres genommen haben. War dies nicht der Fall, verfiel sein Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub. Er konnte nur auf das nächste Kalenderjahr übertragen werden, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Übertragung rechtfertigten. Lagen die Voraussetzungen für eine Übertragung vor, musste der Urlaub zwingend bis zum 31.03. des Folgejahres genommen werden, da er ansonsten verfiel.
Hatte der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr erfolglos seinen Urlaubsanspruch geltend gemacht und verfiel der Urlaubsanspruch, weil der Arbeitgeber ihm keinen Urlaub gewährte, stand dem Arbeitnehmer zwar ein Schadenersatzanspruch zu. Er musste aber beweisen, dass er im Urlaubsjahr seinen Urlaub gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht hatte.
Der Anspruch auf bezahlten Urlaub verwandelte sich auch nur dann in einen Anspruch auf finanzielle Vergütung (Abgeltungsanspruch), wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden konnte.
Dies war zum Beispiel bei Krankheit des Arbeitnehmers der Fall oder wenn der Arbeitnehmer noch mehr Urlaubs- als Arbeitstage hatte (lesen Sie hierzu auch: https://ihr-recht saar.de/arbeitsrecht/urlaub-und-wieviel-steht-mir-eigentlich-zu).
Neues Recht nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes
Der Europäische Gerichtshof hatte über eine Vorlage des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und des Bundesarbeitsgerichtes zu entscheiden. Die deutschen Gerichte wollten geklärt haben, ob das Unionsrecht deutschem Recht entgegensteht.
Geprüft wurden § 9 der Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamten und Richter sowie § 7 Bundesurlaubsgesetz.
Diese Vorschriften sehen den Verlust des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs und den Verlust der finanziellen Vergütung für diesen Urlaub vor, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden:
- Ein Arbeitnehmer verliert seinen Urlaubsanspruch und dementsprechend auch seinen Anspruch auf finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub nicht automatisch deshalb, weil er vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses oder im Bezugszeitraum (Urlaubsjahr) keinen Urlaub beantragt hat.
- Diese Ansprüche können nur dann untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber, zum Beispiel durch angemessene Aufklärung, tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was der Arbeitgeber zu beweisen hat.
- Die Rechtsprechung gilt unabhängig davon, ob es sich um einen privaten oder um einen öffentlichen Arbeitgeber handelt.
Vererbbarkeit des Anspruches auf bezahlten Erholungsurlaub
Eine weitere wichtige Entscheidung zum Urlaubsrecht erging am selben Tag zugunsten von Erben. Danach ist der einem verstorbenen Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Todes zustehende Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub vererbbar. Der Anspruch geht nach Unionsrecht nicht mit dem Tod unter. Die Erben können eine finanzielle Vergütung des nicht in Anspruch genommenen bezahlten Jahresurlaubs verlangen.
Nach der bisherigen deutschen Rechtsprechung war der Anspruch auf bezahlten Urlaub mit dem Tod des Arbeitnehmers erloschen. Urlaubsentgelt- und Abgeltungsansprüche waren nicht vererbbar.
Quellen: Europäischer Gerichtshof, Urteil v. 06.11.2018, Aktenzeichen C‑619/16, Europäischer Gerichtshof, Urteil v. 06.11.2018, Aktenzeichen C‑684/16.